Montag, 2. September 2019
Elternversammlung und Sprachprobleme
Die erste Woche hatten wir gerade hinter uns und waren eigentlich völlig fertig. Doch die ersten Elternversammlungen standen an. An einem Samstag. Eigentlich hatten Mi, G und ich überlegt, wegzufahren, aber das hatte sich dann erledigt. Wenigstens konnten wir nach dieser Woche (die erste Woche ist fast immer die anstrengenste, vor allem wenn man neu an der Schule ist) endlich ausschlafen, den Samstag rumgammeln und dann abends entspannt in der Schule ankommen. Dachten wir. Am Donnerstag stellte sich dann heraus, dass der „Elternabend“ ein „Elternmorgen“ ist und die ersten Gruppen schon um 9:00 Uhr anfingen. Also wieder früh aufstehen.
Obwohl ich keine Klassenlehrerin bin musste ich hin. Denn an so einer Privatschule stellen sich auch die Fachlehrer in allen Klassen vor. Darum bin ich schon am Freitag allen Klassenlehrerinnen hinterhergerannt um herauszufinden, wann ich in welcher Klasse sein kann. Ich hatte mir einen eng getakteten Zeitplan gemacht und war entschlossen, diesen einzuhalten. Und ich habe es geschafft!
In jeder Klasse hatte ich planmäßig fünf, realistisch gesehen eher 10 Minuten Zeit, den Eltern zu sagen wer ich bin, wie sie mich erreichen können (Schulemail, in Deutschland gibt man seine Mailadresse nicht einfach so raus! Zumindest nicht an den staatlichen Schulen), wann meine Sprechstunde ist (falls jemand mit mir reden möchte) und dann erklärt, wie sich die Noten zusammensetzen. Alles auf Spanisch. Ich habe zwar viel zu schnell geredet aber alle schienen mitbekommen zu haben, was ich ihnen sagen wollte. Dann kamen Fragen. Ich habe nicht alle sofort verstanden.
Das Problem mit Leuten, die nie eine Fremdsprache gelernt haben ist, dass sie nicht wissen, wie man mit einem Menschen redet, der die Sprache nicht beherrscht. Bittet man sie, die Frage/ die Aussage zu wiederholen passiert folgendes:
1. sie sprechen lauter. Das hilft nicht wirklich, es sei denn man steht am Bahnhof oder einer befahrenen Straße.
2. sie fügen eine Erklärung hinzu. Das hilft auch nicht. Wer sich in einer Sprache nicht sicher fühlt geht im Redeschwall der anderen unter.
3. sie schmücken den ursprünglichen Satz aus. Jetzt weiß der Sprachenlerner nicht, was wirklich wichtig für die Kernaussage war, auf welche Wörter er sich konzentrieren soll.
Stattdessen wäre es besser man würde
1. langsamer sprechen. Das ist wichtig und wird von Muttersprachlern oft unterschätzt.
2. den Satz genauso wiederholen, eventuell sogar Nebensätze weglassen oder die Satzstruktur vereinfachen.
3. ganz zur Not nur Person, Verb, Substantiv sagen. Das reicht meistens aus, um die Bedeutung eines Satzes zu vermitteln.
Das wussten die Eltern aber nicht. Irgendwie haben wir es trotzdem hinbekommen.
In einer der Versammlungen saßen auch einige meiner Schüler, da beide Elternteile in der Schule waren und zuhause niemand aufpassen konnte. Als ich dabei war, die prozentuale Notenzusammensetzung zu erklären hat einer meiner Schüler scharf eingeatmet: „Die spricht ja spanisch!“, da habe ich mich heimlich gefreut.
Als ich in allen Klassen fertig war habe ich mich in einen leeren Raum zurückgezogen und mich über meinen Sieg über die spanische Sprache gefreut.
Plötzlich kam eine Nachricht von einer anderen Lehrerin. Ich habe einige ihrer Schüler in einer anderen Gruppe, die aus Kindern verschiedener Klassen zusammengesetzt ist. Aber die Eltern wollten mich trotzdem kennenlernen. Also bin ich so schnell wie möglich vier Gebäude weiter in ihr Klassenzimmer gestürmt, um mich, diesmal komplett unvorbereitet, vorzustellen.
Als ich das dann auch hinter mir hatte hat mir beim Rausgehen eine der Mütter gesagt: „Das ist toll, dass Sie vier Sprachen sprechen.“
„Wieso vier?“
„Na Sie unterrichten Deutsch und Englisch und dann sprechen Sie auch noch Spanisch und Italienisch. Das ist doch toll!“
Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Mein Gehirn kann immer noch nicht zwischen spanisch und italienisch differenzieren und wirft die beiden immer noch durcheinander. Anscheinend deutlich öfter als mir bewusst ist. Ich dachte, ich hätte mich ganz gut geschlagen. In Retrospekt war das, was ich erzählt habe wahrscheinlich um die 35% italienisch. Aber damit müssen die Eltern klarkommen. Darum unterrichte ich schließlich kein Spanisch. Falls sie Fragen haben können sie mir ja eine Email schicken.
Danach war ich mit Kollegen in einem Café und habe eine Waffel mit Schokoeis gegessen, dann war alles wieder gut.

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