Samstag, 24. August 2019
Vorbereitungswoche
Nächste Woche geht die Schule los. Darum haben wir diese Woche mit Planung, Versammlungen und Kennenlernen verbracht.
Am Montag bin ich mit Mi per Uber (eine Art privates Taxiunternehmen) zur Schule gefahren. Wir mussten unterwegs eine Schranke passieren, da die Schule in einem privatisierten Viertel liegt, das eingezäunt ist und bewacht wird. Davon gibt es viele in diesem Teil der Stadt. Wer es sich leisten kann, lebt hinter einem Zaun. Für Deutsche klingt das sehr komisch, aber dieses US-amerikanische Konzept ist hier eine Art Statussymbol.
Nach der Schranke sind wir in Serpentinen durch einen tropisch anmutenden Wald hinunter in ein Tal gefahren, von dem man außerhalb der Zäune nichts ahnt. Dort unten befindet sich die Schule. Ein riesiges Areal von mehreren Hektarn, definitiv größer als der Unicampus in Erfurt oder der Brosepark in Berlin. Ich war sofort sehr beeindruckt, obwohl ich schon Bilder auf der Website gesehen habe. (Die beiden habe ich aber selbst gemacht)





Zuerst hat Mi mich mit ins Administrationsgebäude genommen (Hier gibt es nicht nur eine Sekretärin. Es gibt so viele Leute in der Administration, dass es einen Anmeldetresen gibt, wo man fragen kann, wer verfügbar bzw. wofür verantwortlich ist.) Dort haben wir bei Puppi, die natürlich auch einen „normalen deutschen Vornamen“ hat (den aber niemand benutzt) Dokumente abgegeben, die sie für unsere Visumsbeantragung benötigt. Darum kümmert sich zum Glück die Schule, sonst würden wir bei all den Dokumenten niemals durchsehen, zumal die alle ausschließlich auf Spanisch sind.
Um 9 sollten sich alle Lehrer im Lehrerzimmer treffen. Das ist aber wegen Bauarbeiten gesperrt. Das dauert länger als gedacht, hauptsächlich weil zu spät mit dem Umbau begonnen wurde. Willkommen in Mexiko.
Ich hatte am Sonntag einen Kuchen gebacken und einer unserer mexikanischen Kollegen hat sich SOFORT bereiterklärt darauf aufzupassen, wenn ich ihn neben ihm abstelle. Ganz selbstlos natürlich!
Wir haben viele Kollegen schon vor der ersten Versammlung und auf dem Weg zum Raum kennengelernt. Es gibt nämlich mehrere Gebäude und die Wege sind teilweise recht lang. Und natürlich lag der Ausweichraum für das Lehrerzimmer am anderen Ende des Campus.
In der Versammlung saßen alle 102 Lehrer und Erzieher in einem Raum und wir Neuen (Mexikaner und Deutsche) wurden kurz vorgestellt. Es gab ein paar generelle Informationen und dann sind wir mit Herrn Q in sein Büro gegangen. Er hat uns als Schulleiter willkommengeheißen, die Schule und Ihre verschiedenen Leitungsorgane erklärt und uns dann den Campus und alle Gebäude gezeigt. Nur die Schwimmhalle nicht, dafür war keine Zeit mehr. Als erstes wurde und Don R vorgestellt. „Der wichtigste Mensch der ganzen Schule. Ich vertraue diesem Mann blind und bedingungslos.“, hat Herr Q über den Schulpolizisten gesagt, „Er weiß immer wer wann kommt und geht, wer auf dem Gelände ist und wer nicht. Er kennt alle und niemand hinterfragt seine Autorität. Er schmeißt hier den Laden.“ Zurück in Herr Qs Büro haben wir den Kuchen angeschnitten und unter uns neuen Deutschen aufgeteilt. Die neuen Mexikaner haben eine Extraveranstaltung auf Spanisch bekommen, aber dafür keinen Kuchen. Ein Stück war noch übrig, das habe ich Puppi gebracht. Wer viel Papierkram macht verdient auch mal ein bisschen Kuchen.
Außerdem haben wir von Herrn Q Listen bekommen, welche Klassen wir in welchen Fächern unterrichten, aber noch keine Stundenpläne. Ich habe vierte bis sechste Klassen. Hauptsächlich in Deutsch, aber auch in Englisch. Das wird spannend, weil ich mit Klassen 5 und 6 noch keine Erfahrung habe…
Nach dem Treffen habe ich Ma und S getroffen, zwei deutsche Lehrer, die schon seit Jahren hier arbeiten. Die beiden unterrichten Deutsch in den gleichen Klassenstufen wie ich und konnten mir Fragen bezüglich Lehrbüchern, Deutsch als Fremdsprache und allem anderen beantworten.
Ich habe auch A kennengelernt, eine mexikanische Deutschlehrerin, die auch in diesem Jahr anfängt. Sie hat angeboten mich und Mi nach Hause mitzunehmen, weil sie in der Nähe wohnt. Sie war die ganze Woche über unsere Mitfahrgelegenheit und ist in den letzten Tagen eine gute Freundin geworden.
Am Dienstag hat sie uns morgens an der Hauptstraße aufgesammelt und zusammen (A, Mi und ich) sind wir zur Schule gefahren. Am Morgen hatten wir ein dreistündiges Technikseminar. Das war für alle Kollegen über 40 bestimmt nützlich, aber wir „Jungen“ haben nur halb zugehört und miteinander um die abstruseste Zusammenstellung von Animationen konkurriert.
Mittags hat uns Me, eine weitere Deutschlehrerin erklärt, wie sich die Noten der Schüler zusammensetzen und dass wir Fachlehrer uns beim ersten Elternabend in jeder Klasse, in der wir unterrichten, vorstellen sollen. Aus dieser Besprechung musste ich früher raus, weil ich im Anschluss eine Veranstaltung mit allen Deutschlehrern hatte. Darin haben wir Ideen gesammelt, wie man die Schüler dazu motivieren kann, mehr Deutsch zu sprechen. Es war sehr interessant zu sehen, welche Ansätze die Schule verfolgt.
Mittwoch sollte es auch wieder ein Technikseminar geben. Als erstes wurde uns dort jedoch gesagt, dass wir die Laptops gleich wieder runterfahren können, weil wir sie nicht brauchen werden. Es stellte sich dann heraus, dass es ein Design-Seminar war. Das ultimative Ziel war es, uns zu verdeutlichen, dass man Innovationen auf den Nutzer zuschneiden muss. Also seinen Unterricht an die Schüler anpassen. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen haben wir Stühle beschrieben, gezeichnet, aus Knete hergestellt und dann den anderen Lehrern vorgestellt.


Unser Entwurf


Unser Modell

Der Assistent des IT-Spezialisten, der das Seminar geleitet hat, hat dann das Gewinnerteam gekührt. Dieses Team hat dann ein Notizbuch gewonnen. Nicht eins für jeden. Eins für alle. Da lernt man doch neben Kooperation sogar noch das Teilen, richtig gut!
Nach diesen drei Stunden hatten wir eine Versammlung aller Grundschullehrer. Es ging um das Unterrichtskonzept der Grundschule und um Sicherheitsmaßnahmen. Was passiert, wenn es brennt? Bei Erdbeben? Oder (weil man nie ZU vorbereitet sein kann) ein Bus aus den Serpentinen fliegt und ins Tal hinab auf die Schule zukullert? Voraussichtlich gibt es etwa einmal im Monat einen Probealarm. Für das ganze Schulgeld, dass die Eltern bezahlen, wollen sie ihre Kinder schließlich auch sicher wissen.
Anschließend haben sich die Englischlehrer aller Klassenstufen zusammengesetzt und Projekte, Lektüren und Organisatorisches besprochen. Ich habe auch die Koordinatorin für Englisch in der GS (Grundschule) kennengelernt. Sie ist eine erfahrene Lehrerin, die seit 20 Jahren an der Schule unterrichtet und uns sofort ihre Mailadresse gegeben hat.
Donnerstagmorgen hat damit begonnen, dass wir die Bücher für die Schüler aus Kisten geholt, abgezählt und gestapelt haben. Damit hätten wir uns schon vor 9 Uhr morgens eine Dusche verdient. Aber das ging nicht, ich hatte einen Zeitplan. Nach einer Stunde Bücherräumen hatte ich ein Treffen mit den Deutschlehrern der vierten und fünften Klassen, danach mit den Deutschlehrern der sechsten Klassen und der GS-Verantwortlichen. Dann mit den Englischlehrern der GS. Alles jeweils eine Stunde.
Dann gab es wie am Montag eine Versammlung aller Lehrer. Es gab einen kurzen Vortrag über Datenschutz, Vorstellung verschiedener Komitees und Werbung neuer Mitglieder und endlich auch die Stundenpläne.
Danach habe ich noch bei den IT-Leuten ein Problem mit meiner Arbeitsemailadresse geklärt und mich an den Schulcomputern registriert (und den Drucker ausprobiert!).
Am Freitag gab es eine Fortbildung. Also offiziell. Inoffiziell war es eher eine teambildende Maßnahme. Alle Lehrer, Erzieher, Angestellte und sogar der Vorstand haben sich in einem Restaurant zum Brunch getroffen. In einem sehr mexikanischen Restaurant.






(Ich habe keine Ahnung warum die Seite manche Bilder dreht. Ich hoffe, dass es sich wie beim Türschildbild von alleine regelt...)

Viel dunkles Holz, bunte Wände und Deko, Bilder aus Perlen auf Säulen, ein Innenhof mit Palmen und Wasserfall, Steinöfen in Form von Sombreros, eine riesige Glasvitrine voller Tequilaflaschen, und ein Büffet mit frischem Obst, Tortillas, Gemüse, Fleisch, Käse und noch viel mehr. Zu trinken gab es verschiedene Säfte und Café de Olla. Ich kann es nur beschreiben als die Kaffeversion von Glühwein. Kaffee mit Gewürzen (hauptsächlich Zimt), deutlich süßer und weniger bitter als normal. Ich habe mir davon sogar nachschenken lassen!

Was ich gelernt habe:
- alle sind super nett. Ausnahmslos. Deutsche, Österreicher, Mexikaner, total egal.
- alles wird geteilt. Material, Informationen, Fahrtwege, Essen. Essen wird immer geteilt / angeboten und das Angebot ist immer ehrlich gemeint.
- wenn am Ende einer Versammlung die Aussage kommt „Wenn niemand mehr etwas besprechen möchte machen wir jetzt Schluss.“, packen alle Deutschen ihre Sachen zusammen aber alle Mexikaner melden sich und wollen noch etwas sagen.
- man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, aber ich glaube mir wird es hier sehr gut gehen.

Das war meine erste Woche. Beruflich zumindest. Was an den Nachmittagen passiert ist kommt in den nächsten Tagen.

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