Mittwoch, 25. April 2018
Hauptstadtwochenende in Palermo
Ich habe am Freitagabend erfahren, dass ich am Montag erst um 17:30 Uhr auf der Arbeit sein musste. Also habe ich ein Hostelbett gebucht und mich Samstagmittag in den Bus nach Palermo gesetzt. So viel freie Zeit am Stück muss schließlich genutzt werden!
Ich war gegen fünf in Palermo und habe ca. eine Stunde lang mein Hostel gesucht, um dort mein Gepäck ablegen zu können, bevor ich die Stadt erkunde. Auf dem Weg dorthin habe ich aber schon das Stadtzentrum gefunden und konnte schon ein bisschen vom Großstadtleben in mich aufnehmen.
Im Hostel wurde ich von einem grummeligen Rezeptionisten begrüßt, der mich einsilbig auf Italienisch nach meinem Ausweis und meiner bevorzugten Zahlungsart gefragt hat.
Als ich das alles überstanden hatte hat er mich angegrinst und in akzentfreiem Englisch gesagt: „Dein Italienisch ist gar nicht schlecht. Komm, ich zeig dir dein Zimmer!“ – als hätte jemand einen Schalter umgelegt war er plötzlich der fröhlichste, witzigste Mensch, dem ich seit langem begegnet bin.
Ich habe also meinen Rucksack dort gelassen und mich mit einer kleinen Tasche ins Zentrum begeben.
Es gibt eine lange breite Straße in Palermo, die anscheinend Samstagabends abgesperrt wird, sodass keine Autos durchfahren können. Und dort gibt es Straßenkünstler, die mit Kreide oder Spraydosen innerhalb von Minuten Kunstwerke zaubern. Und Straßenmusikanten, die klingen, als würden sie eine CD abspielen und dazu nur so tun, als könnten, sie singen oder Instrumente spielen.
Ich habe einen Büchermarkt gefunden, der sich eine ganze Straße entlangzog. In einigen Nebengassen standen Plastikstühle und -Tische für die gelegentlichen Autorenlesungen. Und die Stadtbibliothek hatte geöffnet, sodass man sich den historischen Lesesaal angucken konnte.



In Kooperation mit der Oper gab es auch Kulissen, Requisiten und Kostüme zu sehen.
Auch vor dem städtischen Dom gab es eine Lesung. Gerade als die Glocken sieben schlugen war die Lesung vorbei und ich wollte mir den Dom von innen angucken. Doch der Wärter hatte beschlossen, mit dem letzten Glockenschlag abzuschließen und Feierabend zu machen und mich nicht mehr reingelassen.
Also bin ich noch ein bisschen durch Seitenstraßen und über Hinterhöfe spaziert, habe den Straßenkünstlern zugeguckt und in einem der vielen Restaurants Abendbrot gegessen.



Kurz vor Mitternacht war ich wieder im Hostel. Dort habe ich zwischen den vielen Instrumenten im Gemeinschaftsraum auch eine Gitarre entdeckt, die aussieht, wie meine. Ich habe also den nun-ja-nicht-mehr-grummeligen Rezeptionisten gefragt, ob ich mich mit der Gitarre auf die Dachterrasse setzen darf, weil dort eh niemand war.
Also habe ich dort gesessen, versucht, mich an die Griffe verschiedener Lieder zu erinnern und überlegt, wann ich zum letzten Mal Gitarre gespielt habe…
Irgendwann bin ich dann ins Bett gegangen. Als ich da lag ist mir aufgefallen, dass ich noch nie mit jemandem, den ich nicht kannte in einem Zimmer geschlafen habe. Also habe ich angefangen, zwei Freundinnen zu schreiben, um mich zu vergewissern, dass andere das auch schon überlebt haben. Und um mich von der Situation abzulenken. Wie ihr wahrscheinlich wisst, habe ich es nicht so mit fremden Leuten…

Am nächsten Morgen habe ich mich beim Frühstück umgehört, wie man vom Zentrum aus nach Mondello kommt.
Mondello ist ein Vorort von Palermo, der für seinen wunderschönen Strand bekannt ist. Ich habe herausgefunden, dass es eine Direktverbindung mit dem Bus gibt und man in der Nähe auch in einem Naturreservat wandern gehen kann. Und ich habe einen Rumänen (M.) kennengelernt, der dort auch hinwollte. Also haben wir uns zusammen auf den Weg gemacht und festgestellt, dass wir im gleichen Zimmer schlafen (er hatte in der Nacht zuvor das Licht von meinem Handy gesehen!).
Wir sind in einem übervollen Bus zum Strand gefahren. Und mit übervoll meine ich tatsächlich ÜBERVOLL! Jedes Mal, wenn man dachte, an der nächsten Haltestelle passt niemand mehr rein, hat es doch noch für einen einzelnen gereicht. Aber irgendwann hat der Bus nicht mehr angehalten, weil wirklich kein Platz mehr war. Die Türen konnten nichtmal mehr richtig aufschwingen!
Der Strand in Mondello sieht aus, wie auf Postkarten oder Kalendern: heller Sand, helltürkises, klares Wasser auf dem Windsurfer und weiße Boote treiben und rundrum grüne Berge.



Ich wurde von einer Gruppe italienischer Teenager interviewt (Du bist Deutsche? Wie viele deutsche Fußballspieler kannst du nennen? Wie viele Italienische? Aus Berlin? Kennst du Herta Berlin? Kennst du Juventus? Wie heißt die Merkel eigentlich mit Vornamen? Bist du froh, dass Hitler tot ist? Welche italienische Musik magst du? …) und irgendwann haben wir uns auf die Suche nach dem Naturreservat gemacht.
Und es nicht gefunden.
Nicht einmal mit Google Maps.
Nicht einmal mit nachfragen.
Also haben wir uns an die nächste Bushaltestelle gesetzt und auf den Bus zurück ins Stadtzentrum gewartet. Irgendwann saßen wir dort mit einem russischen und einem französischen Paar und der Bus kam immer noch nicht.
Plötzlich hat M. beschlossen, dass wir die Einfahrt hinter der Bushaltestelle hinunterlaufen und schauen, ob dort das Reservat ist. Und dort war es. Einfach so. Gut versteckt, aber nicht zu weit weg. Ich wollte natürlich wissen, wie er das geahnt hat und eine Antwort erhalten, die Sherlock Holmes Ehre gemacht hätte:
„Dort waren Pflanzenreste an den Socken des Franzosen. Aber nicht von Blumen oder dem Kraut, das an der Strandpromenade wächst. Also musste er irgendwo anders gewesen sein. Und er hat sich gleich auf die Bank an der Haltestelle gesetzt und einen knappen Liter Wasser getrunken. Also war er eine Weile auf den Beinen und wahrscheinlich aktiv. Also wandern. Aber eben nicht am Strand. Und dann kamen er und die Frau aus dieser Richtung also dachte ich, wir gucken mal ob der Wanderweg hier ist.“
Ich stand da wie ein kleiner Doktor Watson und habe ihn nur mit offenem Mund angeguckt. Ihm war gar nicht bewusst, wie clever diese Beobachtung war. Wie Sherlock Homes eben.
Wir sind also wandern gewesen. Wir haben Felsen gesehen, die aussahen, wie aus einem Star Wars-Film, eine Art lila Weizen, einen Leuchtturm und natürlich noch mehr Meer.



Rückzu war der Bus genauso voll, wie auf dem Hinweg.
Im Hostel habe ich als erstes den Sand von meinen Füßen gewaschen und festgestellt, dass es nicht so clever ist, Socken und Schuhe über leicht sandige Füße zu ziehen und dann wandern zu gehen: ich habe fast die Hälfte meiner beiden kleinen Zehen wundgescheuert. Was auch erklärt hat, warum die so wehgetan haben.
Statt nochmal loszuziehen und die Stadt weiter zu erkunden habe ich mich also wieder auf die Dachterrasse gesetzt und mich mit Franzosen, einer Schwedin und einer Kanadierin unterhalten.
Da ich aber seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte bin ich doch noch einmal in meine Schuhe geschlüpft und mit der Kanadierin in einer nahen Pizzeria Abendbrot essen gegangen.
Am Montag habe ich nach dem Frühstück ausgecheckt, weil ich meinen Bus bekommen musste, um pünktlich auf der Arbeit sein zu können. Auf dem Weg zur Haltestelle bin ich aber noch beim Dom vorbei, um ihn doch noch von innen zu sehen.







Was ich gelernt habe:
- Modica ist wirklich ein Dorf. Wenn man Leute aus aller Welt treffen will, muss man in eine richtige Stadt
- Niemals mit Sand zwischen den Zehen wandern gehen!
- In Palermo gibt es mehr Mücken als in Modica
- Man kann sich auch mit Fremden gut unterhalten
Und:
- Ich muss zurück. Ich habe noch nicht viel von der Stadt gesehen. Zumindest nicht im Tageslicht. Und es gibt wirklich viel zu sehen. Allein schon der Mix der traditionell-italienischen Architektur mit der maurischen, die sogar die Kirchenbauten beeinflusst hat.

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