Mittwoch, 13. September 2017
Mein Tagesausflug nach Noto oder: The Long Way Home
Eigentlich wollte ich über meinen Tag in Noto schreiben. Über die barocke Altstadt, die besser erhalten ist als die von Modica. Darüber, wie ich auf einen Kirchturm gestiegen bin und die ganze Stadt überblicken konnte. Über die Cattedrale di San Nicoló, die so saniert ist, dass sie fast minialistisch und nur wenig beeindruckend ist. Darüber, dass mir einfach niemand Briefmarken verkaufen kann, weshalb ich die bereits geschriebenen immer noch nicht losgeschickt habe. Und über das Museo Civico, in dem die Stadtgeschichte in einem wunderschönen Gebäude ausgestellt wird.

Aber das kann man alles googeln. Außerdem beschäftigt mich etwas anderes gerade viel mehr. So sehr, dass ich, obwohl ich wirklich müde bin, jetzt noch unbedingt loswerden muss, was mir da passiert ist. Ich bin nämlich der festen Annahme, dass das alles in Deutschland nicht so gut geklappt hätte. Ja, richtig gelesen. In Deutschland wäre mein Heimweg ins Wasser gefallen.
Aber von Anfang an: Ich bin mit dem Fernbus von Modica nach Noto gefahren und habe beim Aussteigen den Busfahrer gefragt, ob der Bus zurück an der gleichen Stelle hält und wann er denn komme. Der Busfahrer hat mir versichert, dass der Bus nach Modica um 18.20 Uhr an der gleichen Haltestelle hält, bevor er nach Modica fährt.
Also war ich 17.50 Uhr an der Haltestelle und habe in jedem Bus des Busunternehmens gefragt, ob er nach Modca fährt. „Nein, der fährt später“, habe ich zur Antwort bekommen, was ich nachvollziehen konnte. Dann war es 18.25 Uhr und ein alter Mann hat mich an der Haltestelle angesprochen. Erst dachte ich, er ist seltsam und hat sonst niemanden zum Reden, aber dann stelle sich heraus, dass die Fernbusse, die an dieser Haltestelle ankommen und abfahren so eine Art Hobby von ihm sind und er hat mir erzählt, dass der Bus nach Modica immer um 18.45 Uhr kommt. Also habe ich gewartet.
Um 19.00 Uhr kam ein Bus des gleichen Unternehmens, aber mit anderem Ziel. Der alte Herr hat den Busfahrer gefragt, ob er nach Modica fährt und Fahrer hat verneint. Dann wurden viele laute Sätze gewechselt, in einem Dialekt, den ich nicht verstehe, woraufhin der Busfahrer mich dann irgenwann reingewunken hat.
Ich bin also in den Bus gestiegen. Wie das so ist bei Fernbussen, sind verschiedene Leute an verschiedenen Stationen ausgestiegen. Die letzen an der Endhaltestelle in Ispica. Dann war ich ganz allein im Bus. Der Fahrer ist nur für mich weitergefahren. Bis nach Modica. Dort hat er am äußerten Stadtrand angehalten, auf eine Bushaltestelle gezeigt und mir gesagt, da solle ich auf den nächsten Bus nach Modica Bassa (der Teil der Stadt, in dem ich wohne) warten.
Das habe ich dann gemacht. Mittlerweile war mir kalt und ich hatte Hunger. Ich habe schon überlegt, wie viel wohl ein Taxi durch die ganze Stadt kostet (ich war wirklich am ANDEREN Ende der Stadt), als ein Bus kam. Ich bin reingegangen und wollte den Busfahrer gerade fragen, ob er nach Modica Bassa fährt, als er fragte: „Bist du die, von der sie mir erzählt haben?“ Ich war gar nicht vorbereitet auf die Frage, weil ich so damit beschäftigt war, meine eigene Frage „Fahren sie nach Modica Bassa?“, im Kopf zu üben. Also habe ich nur „Hm?“ gesagt. „Bist du die, von der sie mir erzählt haben? Die nach Modica Bassa will?“ Ich war ganz perplex und habe „Ja“ gesagt, mich bedankt und bin eingestiegen.
Als der Bus dort ankam, wo ich hinwollte, bin ich ausgestiegen und habe von außen gesehen, wie der Busfahrer durch den Rückspiegel den Passagierraum des Busses abgesucht hat. Als er mich nicht entdecken konnte, hat er zur Haltestelle geschaut, von wo aus ich ihm zugewunken habe. Er hat gelächelt und genickt und ist weitergefahren.
Das wäre niemals so in Deutschland passiert.
Erstens würde dort niemand am Busbahnhof fremde Leute ansprechen und ihnen erzählen, wann ihr Bus fährt. Und selbst wenn, dann würde diese Person sich nicht die Mühe machen, einen Busfahrer dazu zu überreden, für eine Fremde Überstunden zu machen. Und selbst wenn, dann würde der Busfahrer niemals einwilligen. Und selbst wenn, dann würde der Fernbus-Busfahrer doch keinem Nachverkehrs-Busfahrer sagen, er solle nach jemandem Ausschau halten und dafür sorgen, dass die dahin kommt, wo sie hinwill.
Nein, in Deutschland wäre mein Bus nach Modica entweder planmäßig gekommen oder ich hätte mir ein Hotelzimmer in Noto nehmen müssen. Aber so bin ich mit Privatchauffeur durch Südsizilien gereist. Für einen einmaligen Preis von 3,20€.

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